Definition „Autismus-Spektrum-Störung (ASS)“ – eine Begriffsannäherung

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Ungefähr 1 Prozent aller Menschen in Deutschland haben eine Autismus-Spektrum-Störung (ASS). Im ersten Moment erscheint dies vielleicht als nicht so viel, aber umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung sind hiervon einige Hunderttausende betroffen. Bei der Annäherung an das Thema „Autismus“ bzw. „Autismus-Spektrum-Störungen“ wird schnell deutlich, dass es nicht „die“ ASS gibt, sondern dass diese verschiedene Erscheinungsformen und Schweregrade zeigt. In diesem Zusammenhang spricht man auch von den vielen Farben des Autismus.  

 

Laut Autismus Deutschland e.V. handelt es sich bei einer Autismus-Spektrum-Störung um „eine komplexe und vielgestaltige neurologische Entwicklungsstörung. Häufig bezeichnet man Autismus bzw. Autismus-Spektrum-Störungen auch als Störungen der Informations- und Wahrnehmungsverarbeitung, die sich auf die Entwicklung der sozialen Interaktion, der Kommunikation und des Verhaltensrepertoires auswirken“.

 

Die aktuell gültige Fassung der ICD 10 (= International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ordnet die ASS den sog. „Tiefgreifenden Entwicklungsstörungen“ (F84) zu und definiert sie als medizinische Diagnosen. Hierbei wird zwischen dem „Frühkindlichen Autismus“ (F84.0), dem „Asperger-Syndrom“ (F84.5) und dem „Atypischen Autismus“ (F84.1) unterschieden.

 

Da es jedoch in der Praxis zunehmend schwieriger wird, die zuvor genannten Formen voneinander abzugrenzen, wurde die Begrifflichkeit der „Autismus-Spektrum-Störung (ASS)“ als Oberbegriff für das gesamte Spektrum autistischer Störungen eingeführt. Er soll zugleich widerspiegeln, dass sich die Auffälligkeiten bei jeder Person, die von ASS betroffen ist, individuell zeigen und hierbei eine sehr große Bandbreite besteht. Demzufolge gibt es ein großes Spektrum an autistischen Merkmalen, die einerseits Schwierigkeiten und andererseits auch besondere Fähigkeiten bzw. Stärken umfassen. Infolgedessen gibt es Betroffene, die nur ein wenig und andere, die sehr stark (bis hin zur Mehrfachbehinderung) autistische Merkmale zeigen.

 

Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung haben i.d.R. Beeinträchtigungen in der sozialen Interaktion und Kommunikation, wie z.B.:

- Betroffene mit einer Autismus-Spektrum-Störung können oftmals im Kontext der Kommunikation Sprache nicht immer gezielt einsetzen, um etwas Bestimmtes auszudrücken oder zu bekommen. Aber auch hier gibt es individuelle Unterschiede: So gibt es Autist*innen, die mit Hilfe von Bildern oder Gebärden kommunizieren, während andere über ein besonders ausgeprägtes sprachliches Vermögen verfügen.

- Auch das Verstehen von Gesagtem ist für viele Autist*innen problematisch, da sie z.T. nur geringfügig bis gar nicht auf ausgesprochene Angebote oder Aufforderungen reagieren (können). Das kann z.B. dann der Fall sein, wenn der Gegenüber zu schnell und / oder zu viele Informationen auf einmal preisgibt, sodass der*die Betroffene nicht folgen kann. Mitunter kann das sprachliche Verständnis auch soweit eingeschränkt sein, dass lediglich z.B. kurze Sätze verstanden werden.

- Außerdem haben Betroffene oft Schwierigkeiten doppeldeutige, sarkastische oder ironische Bemerkungen nachzuvollziehen. Sie verstehen Aussagen des*der Gesprächspartner*in wortwörtlich, wodurch ihnen die Kommunikation meist leichter fällt, wenn eine konkrete Sprache, möglichst ohne Ausschweifungen, verwendet wird.

- Über die sog. „Non-verbale-Kommunikation“, wie z.B. Gefühle, Mimik, Körpersprache und Gestik, werden ergänzende Informationen zur Sprache ausgetauscht. So werden diverse Inhalte eines Gespräches z.B. auch durch die Körpersprache, den Gesichtsausdruck oder bestimmte Gesten vermittelt. Jedoch haben Personen mit ASS oftmals Schwierigkeiten solche non-verbalen Signale zu erkennen und sie richtig zu deuten. Hierdurch entgehen ihnen wichtige Inhalte des Gespräches infolgedessen sich der*die Gesprächspartner*in oftmals nicht richtig verstanden fühlt. Zugleich ist es für Betroffene schwierig, diese selbst zu zeigen.

 

Unter Einbeziehung der zuvor genannten Aspekte kann somit eine wechselseitige Kommunikation für Menschen mit ASS oftmals eine (große) Stresssituation bzw. Herausforderung darstellen, weil der*die Gesprächspartner*in und dessen*deren Signale nicht immer richtig gedeutet werden können.

 

Gleichzeitig können Betroffene auch eingeschränkte sowie stereotypische Verhaltensweisen, Interessen und Aktivitäten zeigen. Weitere Auffälligkeiten u.a. bei diesem Personenkreis sind:

- Sehr hoher Bedarf an Gleicherhaltung der gewohnten Umgebung sowie hiermit einhergehend große Angst vor Veränderungen und Unerwartetem.

- Bedürfnis nach wiederkehrenden und strikten Routinen (tägliche Rituale und feste Strukturen im Hinblick auf Tätigkeiten, Nahrungsaufnahme und Kleidung).

- Starke Detailwahrnehmung (es werden Kleinigkeiten, wie z.B. Fehler rasch entdeckt, hingegen übergreifende Zusammenhänge nicht verstanden).

- Reizüberflutung bzw. Überempfindlichkeit bei diversen Sinnesreizen (so können z.B. bereits leichte Berührungen, Sonnenlicht, Geräusche oder auch Gerüche als sehr unangenehm bzw. störend empfunden und nicht entsprechend gefiltert werden).

- Isolierte spezielle Fähigkeiten bei ungleich verteilten Kompetenzen.

 

Eine Autismus-Spektrum-Störung bringt aber auch verschiedene Fähigkeiten mit sich, die von der Umwelt als Stärken wahrgenommen werden. Hierzu gehören u.a.: 

- Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit,

- exakte und strukturierte Arbeitsweise,

- Arbeiten für ein perfektes Ergebnis (Detailgenauigkeit),

- Sorgfältigkeit und Merkfähigkeit,

- entspricht eine Sache bzw. Tätigkeit den eigenen Interessen (bzw. Affinität), verfügen Betroffene über eine sehr hohe Motivation, Auffassungsgabe und sehr gutes Durchhaltevermögen,

- Personen mit ASS sind meist sehr verantwortungsbewusst, loyal und tolerant ihren Mitmenschen gegenüber.

 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es nicht „die“ Autismus-Spektrum-Störung gibt, sondern dass jede*r Betroffene individuell mit unterschiedlich starken Ausprägungen und Stärken anzusehen ist.

 

Weiterführende interne Links:

>> Übergang Schule – Studium mit ASS

>> Studieren mit ASS

>> Definition „(nicht-)sichtbare“ Behinderung

>> Umgang mit nicht-sichtbarer Behinderung / chronischer Erkrankung

>> Situation von Studierenden mit (nicht-)sichtbaren Behinderung / chronischer Erkrankung
>> Beratungsangebote: kombabb-Kompetenzzentrum NRW / Beratungsangebote an einer Hochschule / Beratungsangebote außerhalb einer Hochschule

 

Weiterführende externe Links:

>> Autismus Deutschland e.V.

>> Autismus Landesverband NRW e.V.